Nicht nur wir Menschen leiden in der heutigen Zeit vermehrt unter Stress, sondern leider auch unsere Pferde.
Zum Einstieg vielleicht einmal zwei wesentliche Aspekte:
- Eigentlich ist unser Pferd dafür gemacht täglich lange Strecken im Schritt zurückzulegen und dabei laufend wenig nährstoffhaltige, aber balaststoffreiche Nahrung zu sich zu nehmen. Der gesamte Verdauungstrakt des Pferdes ist so ausgelegt aus aller aufgenommenen Nahrung das Maximum zu verwerten.
- Pferde sind Herdentiere, können die Zugehörigkeit zu einer Gruppe in der Natur aber mehr oder minder frei wählen
Sehen wir uns im Vergleich dazu gleich einmal unsere heutigen Haltungsformen an. Viele Pferde werden in Boxen gehalten und bekommen hoffentlich zumindest für einige Stunden freien Auslauf, oft auch in Gruppen. Die Futterration und die Häufigkeit wird vom Menschen gesteuert. Wie oft wird dabei übersehen, dass ein Pferd als Dauerfresser nie mehr als vier Stunden Freßpause haben sollte? Der eindeutige Vorteil dieser Haltungsform ist sicherlich, dass das Pferd sich in den Zeiten in der Box ’sicher‘ fühlen und regenerieren kann. Andererseits kann auch ein unpassender Boxennachbar zu einem Streßfaktor werden. Ideal wäre es dann die Box (oder den Nachbarn) wechseln zu können, sollte dies nicht möglich sein, hilft eventuell zumindest ein teilweiser Sichtschutz zum ungeliebten Nachbarn.
Wenn Pferde in Offenställlen leben, würfeln letztlich wir Menschen die Gruppen aus Pferdesicht beliebig zusammen. Solange die Räumlichkeiten ausreichend groß dimensioniert sind und genügend Futter-, Trink- und Schlafstellen zur Verfügung stehen, kann das auch funktionieren. Der große Vorteil dabei ist natürlich, dass die Pferde sich in definiertem Rahmen frei bewegen können und oft auch 24h Raufutter zur Verfügung haben, was der Natur des Pferdes grundsätzlich entgegenkommt.
Pferde, die gestresst sind, leiden oft an Verdauungsstörungen – wie beispielsweise Kotwasser oder Blähungen.
Kürzlich wurde ich zufällig Zeuge einer für das Pferd stressigen Situation, die dem Besitzer aber gerade einmal ein ‚da muss er durch‘ entlockte: das Pferd stand angehängt alleine am Putzplatz und wurde durch ein plötzlich auftretendes Geräusch erschreckt. Als Fluchttier wollte es weg, konnte es aber nicht, weil es ja angebunden war. Zum Stress wegen der fehlenden Fluchtmöglichkeit kam auch noch die schmerzliche Einwirkung im Genick.
Auch Langeweile kann in Stress ausarten! Pferde sind von Natur aus entdeckungs- und experimentierfreudig. Das merkt man auch immer sehr deutlich, wenn man mit dem Pferd neue Dinge macht, wie beispielsweise bei der Bodenarbeit. Manchen Pferden wurde dies leider schon im Jugendalter verleidet und diese Pferde reagieren dann wiederum manchmal eher wieder gestresst auf neue Anforderungen.
Das Pferd kann auch durch Schmerzen gestresst werden. Warum? Es ist ein Fluchttier und als solches bei erkennbaren Schwächen eine leichte Beute. Manche Pferde zeigen äußerlich übrigens erst spät Anzeichen für Schmerzempfinden wie beispielsweise Lahmheit. Das bedeutet im Umkehrschluß: nur weil das Pferd nicht lahmt, heißt das nicht zwangsweise, dass auch alles in Ordnung ist.
Pferde sind sehr sensibel und so kann auch Stress vom Besitzer auf das Pferd übertragen werden. Wenn Ihr beispielsweise abgehetzt nach einem harten Arbeitstag in den Stall kommt und noch schnell reiten wollt, wird das vermutlich nicht so gut klappen.
Manchmal haben auch unsere Pferde ‚einen schlechten Tag‘ oder können sich einfach nicht so gut konzentrieren – als Besitzer wissen wir ja oft nicht was gerade vorher vorgefallen ist. Gab es vielleicht eine Jagd in der Gegend und das Pferd befindet sich noch immer in Anspannung?
Pferde, die ihren Stress deutlich zum Ausdruck bringen – sei es in ihrer Mimik, durch häufiges Misten bzw. ihrem Fluchtverhalten sind als solche leicht zu erkennen. Allerdings gibt es extrem viele, nennen wir sie mal ‚passive Stresstypen‘, die äußerlich kaum wahrnehmbar reagieren. Das kann sich manchmal nur in einem leicht festgehaltenen Unterkiefer äußern, es kann aber auch sein, dass das Pferd komplett ‚abschaltet‘ und kaum mehr auf äußere Eindrücke zu reagieren scheint. Wenn sich ein Pferd in diese Richtung verändert (hat), sollte dies für den Besitzer das Signal sein sich auf die Suche nach der Ursache zu begeben.
Liebe Grüße,
Eva
PS: alle Aussagen hier beziehen sich gleichermaßen auf Frauen und Männer, auch wenn im Text aufgrund der Lesbarkeit nur die männliche Variante genannt wurde
Anmerkung: die genannten Stressfaktoren verstehen sich beispielhaft und sicher nicht vollständig…
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